19. Feb 2025
Jürgen Hirschfeld diskutiert die Trennung von Risiko- und Chancenmanagement im Rahmen der ISO 9001 Revision und erläutert, wie Chancenmanagement in der Praxis integriert werden kann.
Im Vorfeld der Revision der internationalen Norm für Managementsysteme, der DIN EN ISO 9001, ist bereits eine rege Diskussion hinsichtlich des Umgangs mit „Risiken und Chancen“ entbrannt. Insbesondere hat die Wahrnehmung von Chancen als Treiber für den wirtschaftlichen Erfolg bereits jetzt an Bedeutung im Management von Unternehmen gewonnen.
Die deutsche Normungsexpertin, Frau Prof. Patricia Adam, die über die European Organization for Quality (EOQ) als aktive Expertin für die neu gegründete ISO-Arbeitsgruppe TC 176/SC 1/WG 2 nominiert wurde und an der Revision der ISO 9000 beteiligt ist, plädiert für eine Trennung von Risiko- und Chancenmanagement aufgrund der notwendigen unterschiedlichen Sichtweise.
Die Forderung nach einer Trennung der beiden begrifflich zusammengewachsenen Disziplinen ist nicht gänzlich unbegründet. Bei den von mir in der Vergangenheit absolvierten Weiterbildungen im Bereich Risikomanagement, u. a. auch beim Seminar zum zertifizierten Risikomanager, ging es grundsätzlich nur um das Management von Risiken. In den vielen von mir gelesenen Büchern zum Themengebiet „Risiko- und Chancenmanagement“ haben sich die Autoren vorrangig auf das Risikomanagement fixiert und dabei das Chancenmanagement weitestgehend vernachlässigt.
Ich halte es deshalb eher für sinnvoll, die Aus- und Weiterbildung gezielt auf das Management von Chancen zu erweitern. Ein personelles Splitting, in einen Verantwortlichen für das Risiko- und einen für das Chancenmanagement, sehe ich nicht, zumal die personellen Ressourcen dafür weder vorhanden noch in den Stellenplänen realistisch umsetzbar sind. Insbesondere im
Gesundheitswesen wäre dies ein zusätzlicher Aufwand und damit einhergehend ein Kostenfaktor, der wenig Zustimmung finden dürfte.
Keineswegs sind Risikomanager blind für die Wahrnehmung von Chancen, lediglich ihr Blick für das Erkennen von Chancen muss im Rahmen der Aus- und Weiterbildung geschärft werden. Bei den erforderlichen Kompetenzen hinsichtlich des Managements von Chancen bin ich ganz bei Frau Prof. Adam. Nicht nur begrifflich muss eine Erweiterung vom „Risikomanager“ zum „Risiko- und Chancenmanager“ erfolgen, sondern die spezifischen Schlüsselkompetenzen des Chancenmanagements, wie beispielsweise die von Frau Prof. Adam geforderte Kompetenz zur Umsetzung eines kreativen Innovationsprozesses. Ich bin aber persönlich davon überzeugt, das diejenigen, die sich bislang vorrangig mit der Managementdisziplin „Risikomanagement“ beschäftigt haben, durchaus das Potential für den erweiterten Kompetenzgewinn in sich tragen.
Viele Risikomanager bringen Erfahrungen aus dem Qualitätsmanagement und werden oft ergänzend mit den Aufgaben des Risiko- und Chancenmanagements beauftragt. Dabei kommt ihnen der in den Normen für Managementsysteme geforderte prozessorientierte Ansatz und das risikobasierte Denken zugute. Risiko- und Chancenmanagement ist ein in ein Unternehmen zu implementierender Prozess, der in ein vorhandenes Qualitätsmanagementsystem integriert wird.
Wenn auch derzeit noch ein deutlicher Schwerpunkt auf den Prozess zur Beurteilung und Bewältigung von Risiken gelegt wird, kann das Verständnis für den dafür erforderlichen Kernprozess leicht auf die Beurteilung und Wahrnehmung von Chancen übernommen werden. Die Basis stellt somit das Verstehen für den Prozess dar, aber auch ein Verständnis für die Nutzung von künstlicher Intelligenz (KI).
In meinen Seminaren vermittle ich den Teilnehmenden das
Verständnis für die erforderliche Prozessorientierung, in dem wir gemeinsam
einen Überblick über die in den Institutionen ablaufenden Prozesse in einer
Prozesslandschaft erfassen, einzelne Prozesse definieren und die als
dokumentierte Informationen dienenden Prozessbeschreibungen erarbeiten. Sowohl
bei der Definitionsphase als auch bei der gemäß dem PDCA-Zyklus folgenden
Prozessanalyse integrieren wir die Identifikation möglicher Risiken und eben auch
potenzieller Chancen zur Verbesserung der Prozesse. Dies erfolgt im Hinblick
auf die Zieldefinition „Sicherstellung und Erhöhung der Patientensicherheit“, aber auch
auf die „Sicherstellung der Leistungsfähigkeit“ beispielsweise beim Prozess des
Personalmanagements oder der strategischen Unternehmensführung.
Der in der internationalen Norm ISO 31000 „Risikomanagement
– Leitlinie“ beschriebene Kernprozess des
Risikomanagements, bestehend aus der Identifikation, Analyse und Bewertung von
Risiken, lässt sich mit entsprechenden Anpassungen gut auf das Management von
Chancen übertragen.
Die einfachste und praktikabelste Möglichkeit zum Umgang mit Chancen ist eine Priorisierung. Auch hier bietet sich die Verwendung einer zweidimensionalen Matrix an, um eine Einstufung vornehmen zu können. Anders als bei der Priorisierung von Risiken kann für Chancen der Parameter „Erfolg“ anstelle „Schadensausmaß“ und der Parameter „Wahrscheinlichkeit der Realisierung“ anstelle „Eintrittswahrscheinlichkeit“ genutzt werden. Die Chancen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit der Realisierung und einem zu erwartenden langfristigen Erfolg werden dann zu konkreten Zielen für die Fortentwicklung des Unternehmens.
Wenn Sie sich für die Herausforderung Risikomanagement interessieren oder als Personalverantwortliche mehr über darüber erfahren möchten, wenden Sie sich gerne direkt an DELAB: nfdlb-ntd
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